Gender Data Gap: Wie die Statistik Frauen bei der Stadtplanung unsichtbar macht

PANTARHEI
Der Gender Data Gap kommt bei der Stadtplanung zutrage und diskriminiert Frauen

Daten lügen nicht – oder doch? Gemeinhin wird "datengetriebene Politik" als evidenzbasierte Errungeschaft gepriesen. Doch was, wenn die Datenerfassung für sich schon einem fundamentalen Gedankenfehler in sich tragen: "Gender Data Gap" bedeutet, dass Frauen im Erfassen von Daten nicht berücksichtigt werden – und damit an den übrigen 364 Tagen vor und nach dem 8. März signifikante Nachteile erfahren.

Von der Medizin über Kultur bis hin zur Ökonomie – der Gender Data Gap durchzieht viele verschiedene Lebensbereiche und ist allgegenwärtig. Durch die fehlenden Daten über Frauen entsteht eine unbeabsichtigte Verzerrung wissenschaftlicher Studien. Die Erhebung geschlechtsspezifischer Daten ist für die Identifizierung von Gender Gaps beziehungsweise für die Gleichstellung von Frau und Mann unerlässlich. Trotzdem sind geschlechtersensitive Daten eine Seltenheit.

Stadtplanung ist nie geschlechtsneutral

Vor allem die Stadtentwicklung und -planung grenzt Frauen aus. Eine triviale Realität, an die Frauen gewöhnt sind, ist das Anstehen vor der Toilette. Der Grund dafür ist jedoch nicht banal: Toiletten für Männer können aufgrund der Urinale von mehreren Personen gleichzeitig genutzt werden. Frauen benötigen jedoch 2,3-mal so viel Zeit wie Männer auf der Toilette, da sie oft mit Kindern oder pflegebedürftigen Menschen unterwegs sind und Tampons oder Binden wechseln müssen. Eine vermeintlich "gerechte" Planung von Toilettenflächen führt daher letztendlich zu einer Benachteiligung von Frauen. Das Problem liegt in der Perspektive: Obwohl die notwendigen Daten vorhanden sind, werden sie bei der Planung sanitärer Anlagen nicht berücksichtigt.

Eine Studie aus Schweden hat gezeigt, dass sogar die Schneeräumung Frauen benachteiligen kann. Die Studie ergab, dass bei der Schneeräumung die Straßen priorisiert werden, obwohl das Unfallrisiko auf verschneiten Gehwegen höher ist. Die meisten Unfälle im Winter ereignen sich auf Fuß- und Fahrwegen. Während Männer hauptsächlich die Straßen benutzen, bewegen sich Frauen vorwiegend auf Geh- und Radwegen. Die Sicherheitsbedenken für Frauen werden dabei oft vernachlässigt, indem die Straßen priorisiert werden und sie einem erhöhten Unfallrisiko ausgesetzt sind. Frauen sind weitaus häufiger zu Fuß oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs.

Von Männern für Männer gemacht

Städte wurden hauptsächlich von Männern gebaut, entworfen und geplant. Die Folge: Eine überwiegend männliche Perspektive darauf, wie die Stadt funktioniert oder funktionieren sollte. Die Forschungslage zeigt klar die Bevorzugung typisch männlicher Fortbewegungsweisen, nämlich lineare Fahrten vor allem mit dem Auto zu Stoßzeiten. Vor allem sind aber schlecht beleuchtete Gassen, der dunkle Park oder eine uneinsichtige Fußgängerunterführung Orte, an denen sich viele Frauen unsicher fühlen.

Eine gerechte Stadt für alle

Die Stadtplanung diskriminiert Frauen und Mädchen nicht aktiv und bewusst, sondern ignoriert sie als Nutzergruppe. "Gender Planning" nennt sich die Strategie, die Geschlechtergerechtigkeit in der Stadtplanung umsetzen soll. Ein erster und besonders wichtiger Schritt ist es, Mädchen und Frauen aktiv in die Gestaltung der Planung miteinzubeziehen. 

Gleichberechtigung bedeutet zu erkennen, dass Frauen und Männer unterschiedlich sind und unterschiedliche Bedürfnisse haben. In der Vergangenheit wurde häufig im Rahmen einer Unisexlösung der Prototyp Mann herangezogen und das mit zum Teil verheerenden Folgen.

Auch die Sustainable Development Goals (SDGs) geben vor, die Gleichstellung der Geschlechter zu erreichen und alle Frauen und Mädchen zur Selbstbestimmung zu befähigen. Trotzdem sieht sich die Agenda mit der Herausforderung konfrontiert, ein gendergerechtes Monitoring gewährleisten zu können. Zur wirksamen Überwachung der Fortschritte für Frauen und Mädchen innerhalb der formulierten Ziele braucht es eine Verbesserung der geschlechtsdifferenzierten Daten, Statistiken und Analysen.